Christus und die Ehebrecherin
- Objektbezeichnung:
- Christus und die Ehebrecherin
- Sonstige Objektbezeichnung / Objekttitel:
- Christ and the Adulteress
- Name des Standorts:
- Kunstsammlung der Universität
- Inventarnummer:
- D 3769
- Sammlung:
- Academisches Museum
Grafische Sammlung / Kupferstichkabinett
- Zitierlink:
- Zitierlink kopieren: STRG + C
- LIDO-XML:
- record_kuniweb_1403985
- IIIF:
- Manifest öffnen
- Objektgattung:
- Grafik
- Oberbegriffsdatei:
- Grafik, Fotografie > Druckgrafik > Tiefdruck > Kupferstich
- Hessische Systematik:
- Bildwerke/Bildende Kunst > Zeichnung/Grafik
- Schlagworte:
- Ehebruch
Menschenmenge
Tempel
Steinigung
Anklage
- Iconclass:
- die Pharisäer bringen eine Frau zu Christus, die des Ehebruchs beschuldigt wird (Johannes 8:2-11)
- Beschreibung:
- Nach dem Rücktritt Karls V. erbt sein Sohn Philipp nicht nur die Kronen in Spanien, sondern auch eine Reihe von Titeln wie Herzog von Brabant, Graf von Flandern und Graf von Holland, die ihn zum Landesherren der Niederlande machen. Mehr noch als sein Vater beantwortet Philipp das Aufkommen neuer religiösen Gruppen, insbesondere der reformierten
Protestanten, mit einer harten Verfolgungspolitik.
Während der 1560er Jahre, als
die religiösen und politischen Streitigkeiten
beginnen, das Leben in den Niederlanden zu
dominieren, malt Pieter Bruegel eine Reihe
von Bildern, in denen er biblische, insbesondere
neutestamentliche Geschichten in flämische
Landschaften versetzt. Ein typisches Beispiel
ist der ›Kindermord von Bethlehem‹, siehe
S. 65 f., den Bruegel 1566 erstmals in einer verschneiten
flämischen Winterlandschaft situiert.
Das Bild stellt die Brutalität der Soldaten,
der Kindermörder, dem Leben der Bürgerinnen
und Bürger gegenüber, die versuchen ihre
Kinder zu beschützen. Die politische Relevanz
dieses farbreichen und bunten Gemäldes ist
brisant und vielschichtig. Der Erfolg, enorm.
›Der Kindermord von Bethlehem‹ wird von an
deren Künstlern oft kopiert. Eine solche Variation
befindet sich auch in der Göttinger
Kunstsammlung.
Ganz anders, in schlichter grisaille, malt
Bruegel 1565 die Geschichte aus dem Evangelium
von Johannes (8:3–9), wonach Jesus
durch die Schriftgelehrten und Pharisäer
herausgefordert wird eine Ehebrecherin
zu verurteilen. Sie weisen Jesus darauf hin,
dass nach dem Gesetz, das auf Moses zurückgeht,
die Frau gesteinigt werden sollte.
Jesus, so zeigt Bruegel, geht auf seine Knie
und schreibt im Sand einen Satz, der mit den
Worten beginnt ›Wer ohne Sünde ist, der‹. An
diesem Punkt treffen wir Jesus. Die Schriftgelehrten
und Pharisäer schauen und warten
mit steigender Spannung und Verwunderung.
Auch die Ehebrecherin schaut zu. Wie
das Evangelium erzählt, wird er seinen Satz
mit den Worten ›der werfe den ersten Stein‹
vervollständigen. Im historischen Kontext
des Jahres 1565 ruft Bruegel offensichtlich
zu Zurückhaltung, Besonnenheit und Toleranz
auf. Jesus gibt hier das Exempel der Demut.
So distanziert sich der Künstler eindeutig
von der harten Verfolgungspolitik der Regierung,
ohne sich allerdings direkt mit den neuen
protestantischen Gruppen zu identifizieren.
Bruegel bleibt offiziell ein Katholik und wird
katholisch begraben. Das Gemälde artikuliert
die Gefühle vieler, die sich zwischen aufstrebenden
Reformierten und verfolgenden Katholiken
wiederfinden und von allen Parteien
Demut, Besonnenheit und Toleranz verlangen.
Nach Bruegels Tod im Jahr 1569 bleibt das
Gemälde bei der Familie. 1579 setzt Pieter
Perret
das Gemälde in einen Stich um, der
das Bild bis ins kleinste Detail treu bleibt. Allerdings
gelingt es dem Stecher nicht, die Eleganz
und Sanftheit des ursprünglichen Gemäldes
zu erhalten. Das Bild ist 1579 noch immer
höchst aktuell. In diesem Jahr legen die aufständischen
Provinzen mit der Union von
Utrecht
die Gewissensfreiheit rechtlich fest.
Artikel 13 der Union erklärt‚ dass jeder einzelne
in seiner Religion frei sein soll und verordnet
weiter‚ dass niemand der Religion willen
verhaftet oder geprüft werden darf. Damit
wird ein wichtiges Verfassungsprinzip der späteren
niederländischen Republik formuliert.
Vgl. Sturm der Bilder 2016 S.140-142, Marin van Gelderen
Als Jesus im Tempel zum anwesenden Volk spricht, führen ihm die Schriftgelehrten eine Frau vor, die des Ehebruchs bezichtigt wird. Der Stich zeigt diese Szene aus Joh 8, 1-11, die im Jesuswort gipfelt: „Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein“. Diesen Satz schreibt Jesus, der links im Vordergrund kniend zu sehen ist, in niederländischer Sprache auf den Boden. Zusätzlich sind die Worte auf Latein, anders als in Bruegels Vorlage, unter den Stich gesetzt.
Die gezeigte Szenerie ist in ihren Details recht genau auf die biblische Vorlage abgestimmt. So steht die beschuldigte Frau dem Wortlaut nach in der Mitte des Geschehens. Ihre Kleidung und Gestalt ist als dem „städtischen Schönheitsideal“ gemäß empfunden worden, womit sie sich von den anderen Frauengestalten im Gesamtwerk Bruegels abhebt. Sie unterscheidet sich durch ihre Kleidung und ihre Haartracht auch deutlich von allen anderen Personen innerhalb dieses Bildes.
Die Gruppe der Ankläger steht am rechten Bildrand. Als Schriftgelehrte sind sie durch die Imitation hebräischer Buchstaben auf ihrer Kleidung ausgewiesen. Der am rechten Bildrand stehende Pharisäer trägt zudem noch ein Beutelbuch. Bei dieser Art des Buches ist über den ersten Einband ein weiterer Umschlag gelegt, der über den Unterschnitt des Buches hinausgeht. Dies diente zum Schutz des meist wertvollen Gebets- oder Gesetzbuches und zum besseren Tragekomfort. Die Verbreitung dieser speziellen Art der Buchbindung beginnt im 14. Jahrhundert und reicht bis ins 17. Jahrhundert hinein. Zu Füßen dieser Männer liegen zwei Steine auf dem Boden, die an die geforderte Strafe für Ehebruch erinnern: die Steinigung
Als Kulisse dient „entsprechend der italienischen Tradition“ eine Menschenmenge. Die Personen dort gehen zum großen Teil ihren Beschäftigungen nach und beachten die Szene im Vordergrund nur beiläufig. Einige von ihnen tragen große Körbe mit Lebensmitteln. Der Tempel, in dem sich die biblische Szene abspielt, ist nach hinten durch eine dunkle Wandfläche abgeschlossen. Das Treiben entspricht durchaus der neutestamentlichen Wirklichkeit. Der Tempel war zur Zeit Jesu ein zentraler Ort gesellschaftlichen Lebens (Vgl. z.B. die Tempelreinigung Joh 2, 13-16).
Interessant sind die Oppositionen, die u.a. in der Steinstufe zum Ausdruck kommen. Jesus befindet sich nicht auf gleichem Niveau mit den Anklägern. Auch die schlichtere Kleidung und seine Barfüßigkeit unterscheiden ihn deutlich von den Schriftgelehrten. Die Ehebrecherin scheint in der Bildkomposition die Menge im Hintergrund geradezu in zwei Gruppen zu spalten und dient somit formal als Symmetrieachse.
Die in Grisaille gemalte Vorlage Bruegels wendet besondere Lichteffekte an, die auch im Stich eine wichtige Rolle spielen. Während die geschäftige Menge im Dunkel des Hintergrunds verschwindet, ist die Personengruppe im Vordergrund in ein Licht gesetzt, das von Jesus auszugehen scheint. Dies könnte in Anlehnung an die Selbstbezeichnung Jesu „Ich bin das Licht der Welt“ aus Joh 8, 12, die also genau der hier zugrunde gelegten Perikope folgt, ausgeführt sein. Ähnlich ging Bruegel bei seinem Gemälde „Der Tod Mariä“ von 1565 vor. Dort ist es Maria, deren Licht den Raum um sie herum erhellt.
In späteren, mehrfarbigen Kopien dieser beiden Bilder durch Pieter Bruegel d. J. ging dieses Spiel mit den Lichtverhältnissen und die dadurch gewonnene Konturierung der Figuren verloren.
Kat. Gott und die Welt 2007, Kat. Nr. 10, Stefan Klockgether
- Beschriftung / Aufdruck:
- Stamp:
Göttinger Bibliotheksstempel
Inschrift:
QUI SINE PECCATO EST VESTRUM, PRIMUS IN ILLAM LAPIDEM MITTAT. Ioan 8. - Wer von euch ohne Sünde ist, der Werfe den ersten Stein auf sie. Johannes, Kp. 8.
Inschrift:
Cum Privilegio.
Druck Privileg des C. J. Visschers.
Inschrift:
Stißcher excudit.
Inschrift:
DIE SONDER SONDE IS DIE - Wer ohne Sünde ist, der
Inschrift:
P. Perret fe[...]•79•
Inschrift:
P BRUEGEL •M•D•LXV
- Maße / Umfang:
- Breite: 426 mm (Blattmaß)
Höhe: 342 mm (Blattmaß)
Breite: 340 mm
Höhe: 265 mm
- Material:
- Papier
- Technik:
- Druckverfahren > Tiefdruck > Kupferstich
- Literatur:
- Beschrieben in:
K. G. Boon, I. M. Veldman, und F. W. H. Hollstein, „Andries Pauli (Pauwels) to Johannes Rem“, @Dutch and Flemish etchings, engravings and woodcuts, Bd. Vol. 17. Hertzberger [u.a.], Amsterdam [u.a.], 1976.
Beschrieben in:
I. Gaskell und M. Gelderen, „Sturm der Bilder Bürger, Moral und Politik in den Niederlanden : 1515-1616“. Göttinger Verlag der Kunst GmbH, Göttingen, 2016.
Beschrieben in:
G. Unverfehrt, C.-P. Warncke, und I. Beckmann, „Gott & die Welt Niederländische Graphik des 16. Jahrhunderts aus der Kunstsammlung der Universität Göttingen ; [Carsten-Peter Warncke zum 60. Geburtstag] ; [Kunstsammlung der Universität Göttingen, 10. Juni bis 8. Juli 2007, Emslandmuseum Schloß Clemenswerth, 2. September bis 31. Oktober 2007, Ostfriesisches Landesmuseum Emden, 17. Februar bis 30. März 2008]“. Cuvillier, Göttingen, 2007. (Kat. Nr. 10/ 2007 (Katalog Gott und die Welt 2007))
- Weblinks:
- weitere Präsentation des Objekts:
http://kk.haum-bs.de/?id=perret-p-ab3-0002
im Zusammenhang mit dem Objekt:
https://rkd.nl/explore/artists/62765
weitere Präsentation des Objekts:
https://www.bildindex.de/document/obj05707502
- MD_UNIGOE_FOTO:
- Georg-August-Universität Göttingen / Kunstgesch. Seminar und Kunstsammlung der UniversitätNamensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International (CC BY-SA 4.0)https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.de2016-06-30record_kuniweb_1403985_media/record_kuniweb_1403985_792110.jpg0.0Georg-August-Universität Göttingen / Kunstgesch. Seminar und Kunstsammlung der UniversitätNamensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International (CC BY-SA 4.0)https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.deKatharina Anna Haase2021-06-28record_kuniweb_1403985_media/record_kuniweb_1403985_792119.jpg0.0